Konzept

Die Mainzer Symposien der Sozial- und Kulturwissenschaften

Das Forschungszentrum Sozial- und Kulturwissenschaften Mainz (SoCuM) veranstaltet alle zwei Jahre ein internationales Symposium zu einem innovativen interdisziplinären Forschungsthema aus den Sozial- und Kulturwissenschaften. Den Auftakt der Mainzer Symposien bildete 2011 die Tagung MATERIALITÄTEN. Herausforderungen für die Sozial- und Kulturwissenschaften; für sie konnten Bill Brown (Chicago), Janet Hoskins (Los Angeles), Urs Stäheli (Hamburg) und Peter-Paul Verbeek (Enschede) als Keynote Speaker gewonnen werden konnten. Die Georg Forster Lecture 2011 hielt Bruno Latour (Paris). In diesem Jahr wird das Symposium in Zusammenarbeit mit dem Forschungsschwerpunkt Historische Kulturwissenschaften (HKW) an der JGU Mainz organisiert.

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Symposium 2013: Praktiken und ihre Körper

Der Körper gilt gemeinhin als Forschungsterritorium der Naturwissenschaften. Gleichwohl haben die Kultur- und Sozialwissenschaften gegenüber dem biomedizinischen Wissen zwei grundlegende Einsichten über den Körper geltend machen können. Zum einen haben anthropologische und phänomenologische Ansätze den bewohnten menschlichen Körper in seiner Binnenperspektive exploriert: als leibliches Fundament allen Erkennens und als elementaren Lokus von sinnlicher Wahrnehmung, von Personalität und Subjektivität. Zum anderen haben ethnologische und historisch-semantische Untersuchungen ihn als höchst variablen Gegenstand von Wissensordnungen entdeckt. Die Körper des Menschen bilden einen unendlichen Plural von kulturellen Klassifikationen und historischen Diskursen – ein Konvolut aus sprachlichen Kate­gorien, medizintechnischen Bildern, Deutungs- und Erklärungsmustern. Unser naturwissenschaftliches Wissen über den Körper ist Teil einer historisch und kulturell spezifischen Ethnosemantik.

Das 2. Mainzer Symposium der Sozial- und Kulturwissenschaften „Praktiken und ihre Körper. Was für eine Artefakt ist der Leib?“ will den Körper nun auf eine dritte Weise kulturwissenschaftlich betrachten: als Teil materieller Kultur. Beiträge unterschiedlicher Disziplinen (darunter Soziologie und Geschichtswissenschaft, Ethnologie und Medialitätsforschung) werden zusammengeführt, um der Beantwortung grundlegender Fragen einer kulturwissenschaftlichen Perspektive auf den Körper näher zu kommen. Was für ein Artefakt ist der Leib? Wie viele Körper hat ein Mensch? Mit welchen Sprachen, Bildern und Praktiken werden in Vormoderne, Moderne und Postmoderne welche Körper entworfen? Welches kommunikationstechnische Potenzial haben Körper? Wie ist die körperliche Seite leiblicher Wahrnehmungen und ‚geistiger’ Tätigkeiten? Welche Variationen verlangen Grenzkörper: versehrte, tierische, tote, embryonisch unentwickelte und technisierte (Cyborgs)?

Ferner stellen sich den Kultur- und Sozialwissenschaften eine Reihe methodischer Herausforderungen: Wie kann man so ein stummes Objekt empirisch dingfest machen? In welchen Zeichensystemen bietet es sich dar: Sprechen Körper eine ‚Sprache’? Welchen Zugang haben wir zu kulturell fremden und historisch vergangenen Körpern? Welche Beschreibungssprache mag sich unabhängig von der biomedizinischen Ethnosemantik entwickeln lassen? Und schließlich: Wie gehen wir mit der eigentümlichen Befangenheit angesichts dieses Dinges zwischen Haar- und Fußspitzen um, dessen Kopfvorderseiten wir uns auf Tagungen zeigen?